Ausstellung: Chantiers au coin de la rue

Bildquelle: Ville de Versailles.

Vom 19. Februar bis zum 14. Mai 2022 zeigte das Versailler Stadtarchiv (Archives communales de Versailles) die Ausstellung „Chantiers au coin de la rue“ zur Geschichte des gleichnamigen Stadtviertels in der Galerie des Affaires Étrangères der Stadtbibliothek (Bibliothèque municipale de Versailles). In den historischen Räumen des 1762 von Jean-Baptiste Berthier (1721–1804) errichteten Hôtel des Affaires Etrangères et de la Marine wurde zunächst in chronologischer und anschließend in thematischer Reihenfolge das Stadtviertel von dessen Entstehung bis zur Gegenwart thematisiert und vorgestellt.

Chantiers ist heute eines der acht Stadtviertel von Versailles, neben Notre Dame, Saint Louis, Clagny Glatigny, Jussieu, Montreuil, Porchefontaine und Satory. Seine Anfänge reichen zurück ins 17. Jahrhundert und zum Ausbau von Versailles zur Residenzstadt durch Ludwig XIV. Zum damaligen Zeitpunkt befand sich östlich von Versailles das ins 6. Jahrhundert zurückgehende Dorf Montreuil, das durch die Anlage der Avenue de Paris in zwei Teile getrennt wurde: im Norden Grand Montreuil (heutiges Stadtviertel Montreuil) und im Süden Petit Montreuil (heutiges Stadtviertel Chantiers).

Der Name Chantiers stammt von der Rue des Chantiers und den dort einst befindlichen zahlreichen „chantiers de bois à brûler“ („Ort, an dem Brennholz bearbeitet und/oder aufgehäuft wird“) rund um die Verarbeitung und den Handel mit Holz.

Den meisten, die Versailles heute besuchen, sind aus dem Stadtviertel Chantiers hauptsächlich die Bahnhöfe Chantiers (TGV und TER) und Rive Gauche (RER C) bekannt, doch das Viertel verbirgt – wie die Ausstellung gezeigt hat – sehr viel mehr Schätze und Geschichten, die sich lohnen, entdeckt zu werden. Dieser Blogeintrag gibt einen kleinen Überblick über einzelne Ausstellungsthemen und -bereiche zur Geschichte von Chantiers wieder, die besonders in Erinnerung geblieben sind.

Eines der bedeutendsten Gebäude im Viertel Chantiers ist heute das Versailler Rathaus, das Hôtel de Ville, dessen Anfänge zurück auf das einstige Hôtel de Conti gehen, später Hôtel du Grand Maître genannt, das bereits 1665 unter Ludwig XIV. errichtet wurde. 1823 mietete die Stadt das Gebäude zunächst für 99 Jahre an, bevor sie es schließlich 1859 ganz erwarb. Zum Ende des 19. Jahrhunderts beschloss man, das Gebäude durch den Architekten Henri Legrand neu aufzubauen. Vom ehemaligen Hôtel du Grand-Maître zeugen heute nur noch einzelne Elemente im Inneren wie z. B. Teile des Treppenhauses.

Im 19. Jahrhundert hegte man mit dem Aufkommen der Eisenbahn und der Öffnung des Schlosses von Versailles für Besucher den Wunsch, Paris mit Versailles auch im Schienennetzwerk zu verbinden. Die ersten Versailler Bahnhöfe sind die Gare Rive Droite (2. August 1839) im Stadtviertel Notre Dame und die Gare Rive Gauche (10. September 1840). Ursprünglich plante man sogar, die Schienen für Letztere durch die Avenue de Sceaux bis hin zum Schloss zu legen, wo heute der Palais des Congrès steht. Da sich die Stadtbewohner sowie der Stadtrat gegen diese Pläne wehrten, wurde der Bahnhof im ehemaligen Garten des Hôtel du Grand-Maître errichtet. Chantiers, der letzte der drei Bahnhöfe in Versailles, wurde mit Hinblick auf bessere Zugverbindungen zwischen Paris und Rennes 1849 in Gegenwart des Präsidenten Louis-Napoléon (spätere Kaiser Napoléon III.) eingeweiht.

Insbesondere durch die Präsenz des Bahnhofs war Versailles auch im Zweiten Weltkrieg das Ziel mehrerer Bombardierungen durch Amerikaner und Briten. Vom 5. bis zum 6. Februar 1944 wurde der Bahnhof Chantiers zerstört, am 9. Juni 1944 mehrere Häuser im angrenzenden Viertel Saint Louis und zuletzt griff man am 24. Juni in ganz Versailles mehr als 25 Straßen und öffentliche Plätze an. Insgesamt starben 324 Menschen.

Neben historischen Gebäuden und Ereignissen widmete sich die Ausstellung auch neueren Urbanisierungsprojekten des 21. Jahrhunderts im Stadtviertel Chantiers: 2013 öffneten die neuen Gärten des Étangs Gobert, 2019 wurde die Neugestaltung des Bahnhofviertels um Chantiers abgeschlossen.

Der Ausstellungskatalog Chantiers au coin de la rue. Dictionnaire historique illustré des rues du quartier des Chantiers à Versailles ist vor Ort im Stadtarchiv erhältlich und kostet 16€. Eine Lesevorschau gibt es hier.